Von wegen tot

Den Kahlflächen im Harz wird gerne der Tod nachgesagt. Doch dem aufmerksamen Betrachter begegnet dort schon wieder jede Menge Leben. Ruhe und Zeit lassen einen gesunden Wald wachsen, ganz nach dem Vorbild des Naturerbewaldes Blankenburg, in dem die Seele baumeln, wandern oder baden kann.

Der Naturerbewald, der zwischen Blankenburg, Hüttenrode, Heimburg und Cattenstedt zu Hause ist, wurde viele Jahrhunderte durch Bergbau und forstliche Bewirtschaftung vom Menschen gestört und ausgenutzt. Seit einigen Jahrenzehnten darf er wachsen wie er will. Ohne das Gängelband wirtschaftlicher Interessen haben Bäume hier nun alle Zeit der Welt, um steinalt zu werden. Totes Holz darf in Ruhe sterben. Spechte können ungestört klopfen. Und Luchs und Wildkatze unbehelligt Familien gründen. Tausende Fledermäuse reisen hunderte Kilometer an, um in Höhlen und alten Stollen zu überwintern, bevor sie im Frühjahr Kinderstuben einrichten und  einer neuen Generation dieser seltenen Säugetiere das Leben schenken.  Hier gibt es nur noch wenige Wege, gut gepflegt, ohne Furchen und künstliche Matschlöcher, die mich und meinen Rollstuhl immer ans Ziel bringen.  Im Vorbeigehen nicken Storchschnabel, Wildrose, Schöllkraut, Brennessel, Weißdorn, Farn und verschiedenste Gräser dem Wanderer zu. Unter großen alten Eichen und Buchen wachsen ungestört unzählige Baumkinder heran. 

Klingt wie im Märchen? Stimmt! Weil wir solche Wälder kaum mehr kennen. Irgendein Holzerntemaschinchen foltert immer irgendwo ein Stück Waldboden, irgendwo kreischt immer eine Säge, überall begegnen uns große Stapel mit gekennzeichneten Stämmen. Und nun noch die riesigen kahlen Flächen überall dort, wo ich als Kind mit Opa den Wald unsicher gemacht hatte. Der kollektive Tod der Fichten geht aufs Konto von trockenen Jahren und maßlosen Borkenkäfern. Ausschließlich. Natürlich! Es ist menschlich, die Schuld erstmal bei anderen zu suchen. Und die Misere anschließend im wirtschaftlichen Sinne zu bereinigen. Man kann natürlich nicht überall neue Bäume pflanzen, das kostet Geld und Zeit, aber man könnte auf die vom Käfer geschädigten Kahlflächen ein paar Windräder stellen, zumindest so lange, bis der Wald irgendwann wieder nachwächst. So lässt sich auch ohne Holz richtig gutes und schnelles Geld verdienen. Und das auch noch im Sinne unserer grünen Regierung. 

Was aber, wenn der Harz schneller ist als der Mensch? Wenn er schon längst auf den vermeintlich toten Flächen unzählige Baumkinder gesät hat? Und nicht nur die! Was, wenn wir ihn gewähren lassen? Er weiß bestimmt, was er tut, wenn er statt anfälliger Monotonie nun einen gesunden Mischwald wachsen lässt. Einen Wald, der hier beheimatet ist. Und irgendwann dem Naturerbewald ebenbürtig ist. 

Es sprießt allerorten. Tatsächlich. Jeder, der will, kann das sehen. Ein Wald braucht Zeit, dennoch kann man ihm beim Wachsen zugucken, staunen, wie schnell er sich wandelt. Und egal, ob gestandener Naturerbewald oder Jungwald, der noch grün hinter den Blättern ist, beide laden uns ein, zu verweilen. Hinsetzen, sehen, riechen, hören, fühlen. Und atmen. Tief atmen. Während es im Unterholz raschelt, im Geäst klopft und zwitschert und am Wegesrand summt und die Sonne Kronen und Wipfel durchdringt und den Boden ringsum mit Licht bemalt. 

Der Wald ist ein lebendiges Wesen. Das mit uns spricht und genau wie wir nur zeigen kann, was in ihm steckt, wenn es seine Natur leben darf. Nur wer hört ihm noch zu? Ich! Und du?

WissensWert

Es gibt neueste Forschung, die zeigt, dass Wolken um große leergeräumte Gebiete einen Bogen machen, weil die aufgeheizte Luft lokal kleine Hochdruckgebiete erzeugt. Deswegen sollte man die toten Bäume unbedingt stehen lassen. Die sind nicht nutzlos: Auch abgestorbene Bäume werfen Schatten, speichern Wasser und werden zu Humus abgebaut, der dem nachwachsenden natürlichen Wald den Start erleichtert.

Der Wald kommt von allein zurück – und viel ausgeklügelter als durch menschlichen Eingriff.

(Peter Wohlleben, Deutschlands bekanntester Förster, im Interview mit t-online.de, 10.8.2023)

INFO 

Der Schöne Harzer Heimat Verein sammelt aktuell Spenden für ein Waldgutachten, um das Wachstum von jungen Bäumen und Sträuchern nachzuweisen, um so den neuen Bestand vor jeglicher Zerstörung schützen zu können.

Wenn Sie uns in diesem Vorhaben unterstützen möchten, gehen Sie auf den Spendenbutton und schreiben Sie einfach “Waldgutachten” in den Betreff Ihrer Überweisung oder Paypal-Spende.

Unser Harz braucht uns! Dankeschön!


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